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Neue Spendenstudie von DIW und DZI zum Spende-Verhalten der Haushalte in Deutschland – Relativ zum Einkommen spenden ärmere mehr als reiche

16.12.2022 19.12.2022 Dominik Rühlmann Zivilgesellschaft in der öffentlichen Debatte Soziales Wissenschaft und Forschung Zivilgesellschaft

Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) eine Studie zum Spendenverhalten der deutschen Bevölkerung im Jahr durchgeführt und jetzt veröffentlicht. Dazu haben wir Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter, ein paar Fragen gestellt.

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) wurde bereits 1893 als Auskunftsstelle der Deutschen Gesellschaft für ethische Kultur e.V. gegründet und trägt seit 1964 den aktuellen Namen. Das DZI beschäftigt sich mit Fragen wie „Was macht eine vertrauenswürdige Spendenorganisation aus?“ oder auch „Wie leben Migrant*innen in Deutschland?“. Dafür stellt das  u.a. vom Land Berlin, dem BMFSFJ und dem DIHK getragene Institut etwa das DZI-Spendensiegel aus, bieten Spendenberatungen an und führen die umfassendste Fachbibliothek für Soziale Arbeit, Sozialpädagogik und Wohlfahrtspflege im deutschsprachigen Raum. Zusätzlich ist das DZI Mitglied im Trägerkreis der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (zur Transparenzseite).

Was ist für Sie die wichtigste und was ist die überraschendste Erkenntnis aus dieser Studie? 

Die wichtigste Entwicklung ist wohl: Weniger Menschen spenden, aber diese Menschen spenden mehr Geld als bisher. Die Spendenquote ist von 2017 auf 2019 von 46,8 auf 43,3 Prozent gesunken, das Spendenvolumen steigt aber von 9,7 auf 10,3 Mrd. Euro. 2019 ist das jüngste vorliegende Erhebungsjahr für die Spendendaten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), die als besonders verlässlich gelten. Die inzwischen bewährte Fortschreibung dieser SOEP-Daten mit Hilfe der aktuelleren Daten des DZI Spenden-Index ergeben  für die Jahre 2020 und 2021 dann sogar ein noch stärkeres Wachstum der Geldspenden auf 11,5 bzw. 12,9 Mrd. Euro. 

Die leicht abnehmende Spendenquote muss uns aber dennoch zu denken geben. In der gemeinsamen Studie von DIW und DZI wird deshalb der Vorschlag entwickelt, dass der Staat jeden Spendenbetrag unabhängig von der individuellen Einkommenssituation in gleicher prozentualer Höhe steuerlich fördern sollte, angelehnt etwa an den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Derzeit hängt der steuerliche Vorteil ja aufgrund des progressiven Einkommensteuersatzes stark vom Jahreseinkommen ab. Erreichen ließe sich dies durch einen entsprechenden Abzug von der Steuerschuld – eine Regelung, die derzeit bereits bei Parteispenden angewendet wird. Dies würde nicht nur mehr Gerechtigkeit schaffen, sondern könnte auch die Spendenbereitschaft in der Breite positiv beeinflussen und die Pluralität der durch Spenden begünstigten Organisationen erhöhen.

Am meisten überrascht hat uns bei der Auswertung, dass die Im einkommensschwächsten  Dezil mit 1,9 Prozent des verfügbaren Jahreseinkommens doppelt so viel Geld gespendet wird als im  einkommensstärksten Dezil, in dem 0,9 Prozent abgeben werde. Auch dieses Verhältnis zeigt, dass es gut wäre, den steuerlichen Vorteil entsprechend anzugleichen.

Die Spendenquote der befragten Personen ist von 2017 bis 2019 um 3,5 Prozentpunkte zurückgegangen. Gehen Sie hier von einem langfristigen Trend oder einer temporären Veränderung aus?

Der langfristige Trend deutet unseres Erachtens eher auf einen nur leichten Rückgang der Spendenquote hin, auch wenn man andere verfügbare Studien wie das GfK Charity Panel oder den World Giving Index hinzunimmt. So weisen die SOEP-Daten ja für 2009 mit 40,1 Prozent schon einmal einen noch niedrigeren Wert aus, der in den folgenden Jahren wieder gestiegen ist. Faktoren, die einen zumindest leichten langfristigen Rückgang der Spenderquote erklären würden, sind insbesondere die abnehmende Religionsbindung in Deutschland und auch die weiter zunehmende Spreizung der Einkommen, die den unteren Einkommensgruppen immer weniger wirtschaftlichen Spielraum zum Spenden gibt.

Finden Sie diese Entwicklung besorgniserregend oder gehen Sie davon aus, dass die sinkende Quote auch langfristig von der steigenden Spendenhöhe, von der Sie in der Studie berichten, ausgeglichen wird? 

Es ist wegen der schon erwähnten Dynamiken durchaus möglich, dass sich Spendenhöhe und Spendenquote weiter voneinander abkoppeln. Aber im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts, für den das bürgerschaftliche Engagement ja ein sehr wirksamen "Kitt" ist, muss unser gemeinsames Ziel eigentlich sein, die Spenderquote und das Spendenvolumen positiv zu entwickeln.

Inwiefern können die Erkenntnisse aus der Studie Non-Profit-Organisationen nützen? 

NPOs könnten sich mit Blick auf unsere Studie beim Gesetzgeber für ein gerechteres System der Steuerbegünstigung beim Spenden einsetzen und damit gerade die unteren Einkommensgruppen bei ihrer ja durchaus stark vorhandenen Engagementbereitschaft unterstützen. Das würde nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, sondern auch die Spenden als finanzielle Basis vieler Non-Profit-Organisationen langfristig stützen.

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