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Wenn der Staat Transparenz herstellt: Wohnungsdurchsuchungen beim Aufstand der Letzten Generation

04.06.2023 05.06.2023 Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" e.V. Zivilgesellschaft in der öffentlichen Debatte Gemeinnützigkeit Zivilgesellschaft Finanzen

Die bayerische Staatsanwaltschaft untersucht die Finanzierung der "Letzten Generation". Das hat autoritäre Tendenzen und folgt Rufen nach Kontrolle der Spenden für zivilgesellschaftliches, auch informelles Engagement.

Die Wohnungsdurchsuchungen bei Mitgliedern des Aufstands der Letzten Generation am 24. Mai 2023 haben Erschütterungen weit über den Kreis der dort aktiven Menschen ausgelöst. Denn die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen richteten sich ausdrücklich gegen die Finanzierung, also das zivilgesellschaftliche Fundraising. Getroffen von den polizeilichen Maßnahmen war auch ein Finanzdienstleister.

Natürlich ist es richtig, wenn staatliche Stellen Kriminalität auch an ihren finanziellen Wurzeln packen: Wenn etwa unterbunden wird, dass Spenden für Waffen gesammelt werden oder wenn Organisationen, deren Geschäft ein Radikalkapitalismus mit Menschen- und Organhandel ist, an ihrer Finanzierung gepackt werden. Doch das sind kriminelle Taten, die hier nicht zur Debatte stehen. Bei diesen Wohnungsdurchsuchgen geht es um eine Gruppe, die mit gewaltfreiem zivilen Ungehorsam offen und Gesicht zeigend Regeln bricht; deren Mitglieder sich dafür vor Gericht verantworten und nicht untertauchen; die von der Regierung fordert, die Verfassung einzuhalten.

Ja, diese Merkmale könnten zum Teil auch andere Bewegungen als die Klimaschutzbewegung beschreiben: Die so genannten Querdenker:innen, Kritiker:innen von Corona-Maßnahmen, vielleicht sogar Pegida - auch, wenn die Gruppen darin keineswegs durchgängig gewaltfrei sind. Es geht also darum, welche Regeln der Staat für zivilgesellschaftliches Engagement setzt.

Status quo ist: Wir haben eine im Grundgesetz verankerte Vereinigungsfreiheit und Versammlungsfreiheit (wenn auch nur für deutsche Staatsbürger:innen). Daraus folgt, dass es keine Registrierungspflicht gibt. Es wird ständig falsch berichtet und angenommen, aber Demonstrationen müssen hierzulande nicht genehmigt werden. Sie sollen angemeldet werden. Eine Gruppe, eine Organisation muss sich nicht registrieren, sie muss keine Satzung schreiben und damit zum Vereinsregister beim Amtsgericht laufen. Sie darf Spenden sammeln, ohne dafür eine finanzamtliche Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu haben.

Diese Freiheitsrechte sind keineswegs allen bekannt. Wem immer eine Gruppe auf den Keks geht - ob einerseits Kritiker:innen der Corona-Maßnahmen, andererseits Umweltschutzorganisationen -, der ruft oft bei Twitter & Co: Verbietet sie! Nehmt ihnen die Gemeinnützigkeit weg! Da soll die Polizei mal richtig hart durchgreifen! Die dürfen gar keine Spenden sammeln!

Diese autoritären Rufe, häufiger aus einer nationalautoritären Ecke, scheinen von der bayerischen Polizei und Justiz bestärkt zu werden. Darf eine Organisation nur Spenden sammeln, wenn sie deren Herkunft transparent belegt? Nur, wenn sie öffentlich Rechenschaft ablegt, wie sie das Geld ausgibt? Machen Spenden oder Fördermittel aus dem Ausland so eine Organisation besonders suspekt?

Nach jener Logik wäre informelles Engagement nicht mehr möglich. Selbst, wenn dabei irgendwelche Bagatellgrenzen eingeführt werden: Auch das müsste eine Gruppe nachweisen, dass ihre Einnahme unter den Beträgen liegen. Schon jetzt ächzen viele Initiativen und Vereine über bürokratische Belastungen, die nicht als Schikane gedacht sind - in anderen Ländern werden solche Regeln genau deshalb aufgestellt, damit zivilgesellschaftliche Akteur:innen Fehler machen.

Die Wirkung der bayerischen Behauptung, dieses Fundraising sei kriminell, geht über die im Aufstand der Letzten Generation engagierten Menschen weit hinaus: Darf ich noch spenden? Mache ich mich strafbar, wenn ich jetzt dorthin Geld überweise? Gebe ich mein Geld doch lieber woanders hin - auch aus der Angst, dass es von der Polizei einfach einkassiert wird.

Ich habe von Vereinen gehört, die jetzt prüfen, ob in ihren Büchern Geschäftsbeziehungen zu Mitgliedern des Aufstands der Letzten Generation sind. Und vielleicht prüfen Banken, Sparkassen, Paypal oder andere künftig noch strenger, ob ein Verein, vor allem ein nicht eingetragener Verein, die Nachbarschaftsinitiative, bei ihnen ein Konto eröffnen kann.

Bei der Spende fängt ziviler Ungehorsam an. Die Überweisung von fünf oder 50 Euro etwa an den Aufstand der Letzten Generation kann mehr als ein solidarischer Akt sein. Die Wohnungsdurchsuchungen und amtlichen Spendenwarnungen sind hart, aber nicht unbedingt rechtsstaatlich. Sie sollen einschüchtern. Das ist eine Polizei-Logik, die im Umgang mit gefährlichen, gewaltbereiten Gruppen letztlich deeskalieren kann. Aber nicht in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Gegen Angst kann helfen: Durchatmen. Stehen bleiben. Jetzt erst recht. Eine Person, die das Konto führt, kann vielleicht tatsächlich eingesperrt werden. Aber 5.000 Bürgerinnen, die 30 Euro überwiesen haben?

Ich möchte den Aufstand der Letzten Generation nicht glorifizieren. Aber welcher Protest richtig und angemessen war, bewertet selten die Gegenwart, öfter die Geschichte. Der Anti-AKW-Protest in der BRD wurde kriminalisiert - Jahrzehnte später haben die Volksparteien das Aus der gefährlichen Meiler beschlossen. Die Umweltbewegung in der DDR wurde verfolgt - sie hat schließlich Freiheiten hergestellt und wird beklatscht. In Russland werden Menschen eingesperrt, die gegen Krieg demonstrieren, werden Organisationen verboten, die aus Deutschland Fördermittel erhalten - wir hoffen, die Geschichte wird über sie anders urteilen als jener Staat heute.

Was für ein Land soll unser Land sein? Ein Land, das vor lauter Angst vor dem Verlust von Freiheiten Freiheiten beschränkt? Oder ein Land der offenen Debatte und des offenen Austauschs?

Standards zu Transparenz, gerade für Organisationen, die sich politisch einmischen, finde ich sinnvoll und nötig. Besser als Vermögensarreste oder staatliche Regeln, wie gerade in der EU diskutiert, finde ich einfache und klare Standards aus der Zivilgesellschaft selbst, an die sich viele Organisationen freiwillig halten. Dann wird interessant, wer einen Standard wie den der Initiative Transparente Zivilgesellschaft ignoriert.

Siehe dazu auch die Pressemitteilung der Allianz "Rechtssicherheit für politische Willensbildung" vom 24.5. 2023: Vereinsverbote und zivilgesellschaftlicher Freiraum

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